Gunnar Schmidt:
 „Jump!“
 Über Körper-, Bild- und Zeitsprünge in der Modefotografie (abstract)

Moderne – das ist die Erfahrung von Temporalisierungsprozessen, von historischen Brüchen, von Plötzlichkeitserfahrungen. Dass diese Tatbestände, die oftmals an ein Krisenbewusstsein gekoppelt werden, auch eine leichte, eine luftige Qualität haben können, soll an einem bildmotivischen Klischee untersucht werden, das sich in der Modefotografie der 1930er Jahre herauszubilden beginnt und bis heute ein ununterbrochenes Nachleben führt. Gemeint ist das allbekannte Motiv des springenden Modells. Woher rührt die Persistenz dieses Motivs? Der fotografierte Sprung kann trotz seiner Trivialisierung als Allegorie der Moderne betrachtet werden, da sich in ihm diverse Modalitäten von Zeitlichkeit verdichten. Ist das Motiv des Sprungs auch in anderen fotografischen Genres gegenwärtig – in der Tanz-, Sport-, Werbe-, Amateur-, Wissenschafts- und Kunstfotografie –, so nimmt es vor allem im Modekontext eine symbolische Sonderrolle ein, in dem Zeit als ritueller Aspekt mitgeführt wird. Der Vortrag wird in einer medienhistorischen Exkursion an exemplarischen Beispielen dem Wechselspiel von Strukturkonsistenz und Formwandel nachgehen sowie die Transfers zwischen unterschiedlichen Bildmilieus erkunden. Was als formale Analogie in den Bildern aufscheint, ist darüber hinaus als Symptom zu verstehen, in dem sich ein Bedarf an Sinn artikuliert, der wieder und wieder aktualisiert werden muss. Das strukturelle Element ist als eine Sedimentation kulturrelevanter Semantik zu deuten, aus der etwas über epochenspezifische Grundhaltungen zu erfahren ist: Das Fotografische und die fashionicity betreiben in gemeinsamer Aktion eine Gender-Modellierung, die den Körper der Frau irrealisiert, im selben Zuge aber auch utopisiert.